Nachdem ich nun mehrere Jahre verschiedene alchemistische Texte und Bilderserien studiert habe und immer noch studiere und sicher noch ein ganzes Stück studieren werde!- darunter Basilius Valentinus, Eugenius Philalethes, Raymundus Lully, Evola, Helmond, Böhme, Michael Meier's Atalanta Fugiens, Rosarium Philosophorum, Book of Lambsprinck, Aurora Consurgens, Mutus Liber etc. etc.- ganz nach dem hermetischen Leitsatz "Ora, lege, lege, lege, re-lege, labora et invenies"- kann ich zwar noch nicht behaupten, dass ich die Kunstsprache der Alchemie vollkommen durchschaut habe- fehlen mir doch noch einige ganz entscheidende initiatorische Schlüssel-, aber hatte trotz allem schon ein paar Geistesblitze, die mir etwas weiterhelfen konnten.
Es gibt manche Texte und Bücher, die ich schon mehr als dreimal gelesen habe, und wahrscheinlich so oft wiederlesen werde, bis mir das Licht dämmert.
Es heisst ja, dass wenn die "Weißung" eintritt, der Alchemist an einem Punkt angelangt ist, wo er -theoretisch- all seine Bücher verbrennen kann.
Ich nehme an, dass damit gemeint ist, dass wenn einmal ein Kontakt zu einer höheren Ebene, dem Genius oder Engel, etabliert ist, keine Führung "von außen" mehr notwendig ist.
Nun, ich stecke eben noch mitten im schwarzen Werk.
Bücher sind für mich noch vonnöten- und als Bibliophiler mehr als nötig, ja leidenschaftlich geliebt!
Ich glaube, das Prinzip, die Alchemie theoretisch zu verstehen, besteht darin, seinen Geist mit all den Informationen zu füttern, die vorhanden sind (und ich meine damit KLASSISCHE Texte und Bilderserien aus der hermetischen Tradition)- egal, ob man sie versteht oder nicht- und gleichzeitig daran zu glauben, dass das Unterbewusstsein eigene Schlussfolgerungen und Erkenntnisse formulieren wird, unabhängig vom Verstand, und diese zu einem gegebenen Zeitpunkt als Geistesblitze präsentiert.
Natürlich funktioniert das nur mit begleitender meditativer oder rituell-magischer Praxis (Ora et labora).
Und mehr als einmal hatte ich diese kleinen Geistesblitze!
Mittlerweilen bin ich schon so an diese Art theoretischer Arbeit gewöhnt, dass ich mir denke: je unverständlicher und verstiegener solch ein Text, umso besser!
Mit einer fast schon perversen Lust stürze ich mich auf die verwirrendsten Traktate.
Heisst es nicht, dass je unverständlicher die Adepten über ihre große Kunst geschrieben haben, umso klarer sie sich ausgedrückt haben?
Gerade alchemistische Bilderserien wie die "Atalanta Fugiens" von Michael Meier transportieren nicht selten universale Wahrheiten.
Nun sind universale Wahrheiten oft paradox, und erscheinen dem Verstand als unlogisch, und Logik ist eben nur ein überlebensnotwendiges Werkzeug unseres Verstandes, dem Vermittler zwischen dem höheren Bewusstsein und der instinkthaften Natur.
Auch in den östlichen Traditionen gibt es Methoden, den Verstand und die Logik auszutricksen, um an ein höheres Verständnis zu gelangen- man denke nur an die berühmten Zen-Koans.
Ich erinnere mich aber noch genau an meine ersten Reaktionen, als ich Bücher wie "Die entschleierte Alchemie" von Johannes von Helmond, oder "Die hermetische Tradition" von Julius Evola gelesen habe.
Das erste Mal Helmond ist bestimmt 7 Jahre her, und ich habe verächtlich darüber gelacht!
Nun, nach mehrmaligem Lesen, ist es ein wahrer Brunnen der Weisheit für mich geworden.
Beim erstmaligen Lesen von Evolas Meisterwerk hätte ich das Buch am liebsten erzürnt an die Wand geschleudert, oder gleich aus dem Fenster.
Aber ich habe gelernt, dass theoretisches Verständnis mit persönlicher Reife und Entwicklung wächst.
Viele dieser alchemistischen Bücher kommen wir nach Jahren des Wiederlesens vor, als hätte ich sie niemals zuvor gelesen.
Die Kunstsprache und Bilderwelt der Alchemie ist ein Labyrinth aus Allegorien, Fabeln und Symbolen.
Nicht selten wird innerhalb eines Textes ein Feuer als Wasser und dann wieder als Salz bezeichnet, oder Schwefel als Merkur und Merkur als Schwefel oder Salz.
Alleine für den Merkur gibt es wahrscheinlich hunderte von Bezeichnungen, die sich ähnlich sind oder widersprechen.
Meine Vermutung ist auch, dass oft Wölfe, Löwen, Drachen oder Geier ein- und dasselbe Ding bezeichnen.
Auch, dass manchmal z.B. Putrefaktion, Calcination und Sublimation nur technische Ausdrücke für ein- und dieselbe Operation sind.
Abgesehen von der Tatsache, dass viele alchemistische Autoren das Geheimnis extra verschlüsselten und die verschiedenen Ausdrücke und Abfolgen der Prozesse und Kunstkniffe vertauschten etc., um den Profanen in die Irre zu führen, und den wahren Suchenden zu weiterer persönlicher Forschung und Arbeit zu ermutigen, ist ein wichtiges Prinzip, das in diesen Texten steckt, das Prinzip der Erziehung des Bewusstseins zu einem höheren Verständnis.
Letzten Endes glaube ich, dass es nur eine Wahrheit, ein Licht, und ein Geheimnis, ein Arcana Arcanorum gibt, aber dieses Geheimnis so einfach und gleichzeitig gewaltig ist, dass es dem Verstand nur in Allegorien mitgeteilt werden kann, und auch nur in kleinen Häppchen.
Das Bewusstein muss schrittweise an das Geheimnis gewöhnt werden.
Dafür dient die Kabbala, die Magie und die hermetischen Allegorien. Sie bereiten das Bewusstsein graduell darauf vor, irgendwann das ganze Geheimnis erfassen zu können.
Und ist es dann erfasst, ist das Licht im Bewusstsein in seiner vollen Glorie gedämmert, verhindert es seine wesenseigene Natur, dass es klar und direkt, d.h. ohne Symbol oder Allegorie, ausgedrückt werden kann.
Deshalb: Isis schützt sich selbst!
Oculator Abis!
S.S.N.S.